Beschreibung
An der Wende zum 21. Jahrhundert stehen für den kritisch denkenden Teil unserer Gesellschaft Natur und Technik nicht in feindlichem Gegensatz und auch nicht in jenem Verhältnis zueinander, welches durch das Wort "Naturbeherrschung" charakterisiert ist. Natur ist als Rohstoff notwendige Ressource einer technikdominierten Zivilisation und als Landschaft kulturell angeeignete wie gestaltete Umwelt zur physischen und psychischen Regeneration. Am Steinbruch tritt beides zutage: die Notwendigkeit des Materialabbaus und die dadurch entstehende Architektur derr Landschaft, deren ökologischer Bestand ein Wert auch für die Zukunft ist. Stein verweist auf die Vergangenheit, auf Erdgeschichte und auf Menschheitsgeschichte mit ihren Mythologien genauso wie auf die Zukunft und die künftigen Chancen unserer industrialisierten Zivilisation, die Stein für die Erzeugung nahezu aller technischen Produkte - vom Bahndamm bis zum Kunststoff - benötigt. In der griechischen Version des Sintflut-Mythos schufen Deukalion und Pyrrha, der Vernichtung durch die vom Göttervater Zeus verhängte Flut entronnen, ein neues Menschengeschlecht, indem sie, wie das Orakel empfiehlt, Steine über ihre Schultern warfen. In der Beschaffenheit des Steins findet sich eine Existenzform alles Menschlichen wieder: "Davon sind wir ein hartes Geschlecht, ausharrend im Mühsal", drückt es Ovid in den Metamorphosen aus. Mit dem Steinbruch tritt Stein als Abbauform in unser Bewußtsein und damit die Geschichte menschlicher Arbeitsleistung und -technik: von der Materialbeschaffung der ägyptischen Pyramiden durch die Arbeitskraft von Sklavenheeren, über aufwendige Steintransporte seit dem Mittelalter bis hin zum computergesteuerten hochtechnisierten Steinbruchbetrieb von heute mit seinen wenigen qualifizierten Fachkräften - eine Entwicklung, die zur Neueinschätzung einer früher höchst negativ bewerteten Arbeit geführt hat. Die Beiträge versuchen, aus der Sicht von Experten unterschiedlicher Bereiche - wie Geologie, Technik, Wirtschaft oder Umwelt - einen Überblick über die historische, gegenwärtige und zukünftige Bedeutung des Phänomens Steinbruchs geben. (Herbert Lachmayer)