Beschreibung
Die Wiener Stadtbahn steht mit ihrem Eröffnungsdatum von 1898 in einer Umbruchsituation der Sehgewohnheiten. Während die des 19. Jahrhunderts auf dem Überblick beruhen und als panoramatisch bezeichnet werden können, entwickelt sich mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts anhand neuer technischer Möglichkeiten ein kinematographisches Sehen, das sich aus Einzelbildern zusammensetzt. Die Stadtbahn befindet sich nun genau an der Schnittstelle dieser beiden Medien, in ihr kommt der von der Eisenbahnfahrt gewohnte panoramatische Blick ganz selbstverständlich zum Einsatz, gleichzeitig wird aber der kinematographische, montierende Blick erstmals angewandt. Notwendige Bedingung dafür sind die großen Veränderungen, die Wien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfährt. Die beiden Stadterweiterungen mit dem Abriss von Glacis und Linienwall und der Anlage von Ringstraße und Gürtel sorgen dafür, dass die gesamte Stadt von Großbaustellen durchzogen ist. Einhergehend mit der Demolierung von 'Alt-Wien' entsteht in der Großstadt der Moderne aber eine neue Form der Wahrnehmung. Wie in diesem Buch gezeigt wird, ermöglicht die Stadtbahn dieses neue Schauen; aus den zerstückelten Stadtansichten, die sie bietet, muss sich die Betrachterin oder der Betrachter ihr oder sein eigenes Stadtbild zusammensetzen.