Beschreibung
Seit dem Ende der 1980er-Jahre nimmt die Frage nach dem Verhältnis der Philosophie zu ihrer Geschichte einen zentralen Platz in den Diskussionen um das Wesen und die Methode der Philosophie ein. Beeinflusst durch Vertreter der kontinentalen Philosophie hat sich eine «relativistische» Position (Alain de Libera, Kurt Flasch) herausgebildet, die eine Inkommensurabilität der Theorien behauptet, die den verschiedenen historischen Epochen zugehören. Dem gegenüber steht eine eher «kontinuistische» Position (Claude Panaccio, Pascal Engel), die sich auf prominente Figuren der analytischen Philosophie stützt, etwa auf Peter Strawson, Donald Davidson oder Michael Dummett. Die Debatten um diese Standpunkte haben das Interesse der philosophischen Gemeinschaft an metaphilosophischen und methodologischen Fragen neu geweckt. Der Band 2017 der Studia philosophica stellt ausgewählte Beiträge des Symposiums der Schweizerischen Philosophischen Gesellschaft (Universität Genf, 2016) vor, das der Rolle der Geschichte der Philosophie in den aktuellen Debatten gewidmet war. In fünf Themenkomplexen werden Reflexionen vorgestellt, die zwar nie infrage stellen, dass Geschichte für die Philosophie nötig ist. Sie zeigen aber divergierende Positionen auf, was die Frage des Nutzens der Philosophiegeschichte, des Verhältnisses zwischen ihr und der Philosophie sowie die vorgestellten philosophiehistorischen Praktiken betrifft. Im Hintergrund steht die Frage, ob es entdeckte und zu entdeckende philosophische Wahrheiten überhaupt gibt und die Philosophie in diesem Sinne eine Fortschrittsgeschichte kennt oder ob man sich mit der kulturellen und historischen Vielfalt der philosophischen Doktrinen zufriedengeben muss, deren Geschichten inkommensurabel bleiben. Was es heisst, dass die Sprache - Instrument und Gegenstand des Philosophierens - in ihrer Geschichtlichkeit unhintergehbar ist, wird dabei ebenso untersucht wie die Frage der historischen Kontingenz in den philosophischen Problemstellungen. Kontrovers diskutiert wird insbesondere, wie man die Geschichte der Philosophie in den Dienst aktueller Debatten stellen kann, ohne sie zu instrumentalisieren, und wie man mit Diskontinuität, verursacht durch historische Brüche, umgehen soll.
Autorenportrait
Die Herausgeber Laurent Cesalli, geboren 1968, studierte Philosophie in Fribourg und Genf. Er unterrichtete an den Universitäten Freiburg i. Br., Lausanne, Fribourg, Lille und Cornell. Er war Chargé de recherche am CNRS (2011-2014) und ist seit 2014 Professor für mittelalterliche Philosophie an der Universität Genf. Hamid Taiebr, geboren 1981, verteidigte seine Doktorarbeit in Philosophie an der Universität Lausanne in Cotutelle und an der École pratique des hautes études in Paris. Er ist derzeit Postdoktorand an den Universitäten Genf und Salzburg. Parwana Emamzadah, geboren 1987, studierte Theologie und Philosophie an der Universität Genf und an der École pratique des hautes études in Paris. Sie ist derzeit Doktorandin und wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für mittelalterliche Philosophie der Universität Genf. Die Redaktion Janette Friedrich, geboren 1961, studierte Philosophie in Rostow am Don (Russland) und promovierte an der HU Berlin. Nach mehrjährigen Forschungsaufenthalten in Paris ist sie gegenwärtig Maître denseignement et de recherche an der Universität Genf. Anton Hügli, geboren 1939, studierte Philosophie, Psychologie, Germanistik/Nordistik und Mathematik in Basel und Kopenhagen. Er war bis 2005 Professor für Philosophie und Pädagogik an der Universität Basel.