Beschreibung
Zu Beginn des Ersten Weltkrieg war in katholischen Landschaften Deutschlands von antimilitaristischen Mentalitäten des 19. Jahrhunderts nichts mehr zu spüren. Der vorliegende Band beleuchtet durch Forschungsbeiträge und umfangreiche Quellendokumentationen die kirchliche Kriegsbeihilfe 1914-1918 im Bistum Münster. Bischof Johannes Poggenburg betrachtet den Kaiser als Garanten "unserer gerechten Sache" und lässt am Altar für den Sieg der deutschen Waffen beten. Den trauernden Angehörigen von getöteten jungen Soldaten gibt er in einer "Trostpredigt" zu bedenken, dass viele vielleicht in der "behaglichen Ruhe des Friedens" irre gegangen wären. Der bekannte Moraltheologe Joseph Mausbach stimmt ein: "Nun schwingt der Krieg seine Geißel, nun zerreißt er das Lügengewebe der Eigenliebe., mahnt uns an die Pflicht, das Leben nicht als der Güter höchstes zu betrachten, sondern es mutig hinzugeben, wo immer es gilt, Heiligeres zu schirmen. Das Glück verweichlicht nicht bloß die menschlichen Sitten, es verblendet auch die für Gott bestimmte Seele, dass sie den Zug zum Ewigen vergisst". Ebenso verbreiten Domprediger Adolf Donders, Dichterpriester Augustin Wibbelt und Funktionsträger des konfessionellen Milieus militante Kriegstheologien. Der Rechtskatholik Karl Wagenfeld bekennt sich gar zum Hass auf die Feinde und erteilt der Friedensbotschaft des Papstes eine Absage. Pfarrer Clemens August von Galen verfolgt ab 1916 ein Siedlungsprojekt zur "friedlichen Kolonisation" im Osten und bewegt sich in projektbezogenen "Strukturen", die durchaus als "Vorboten späterer nationalsozialistischer Lebensraum-Planungen" betrachtet werden können. - Nach dem Krieg beteiligt sich der katholische Adel des Münsterlandes an der Verbreitung der "Dolchstoß"-Legende und klagt, die Weimarer Republik stehe nicht in Einklang mit der "christlichen Staatsphilosophie". Der klerikale "Sittlichkeits"-Diskurs lenkt den Blick auf freizügige Bademoden. Eine selbstkritische Aufarbeitung des kriegskirchlichen Komplexes findet trotz der vielen Millionen Toten nicht statt. Katholische Pazifisten bleiben in zwei Weltkriegen eine winzige Minderheit. Kirche & Weltkrieg - Band 13 Herausgegeben in Kooperation mit pax christi im Bistum Münster
Autorenportrait
Peter Bürger (geb. 1961 in Eslohe): Kriegsdienstverweigerer (Zivildienst), Theologiestudium in Bonn, Paderborn, Tübingen (Diplom 1987); examinierter Krankenpfleger (1991); psycho-soziale Berufsfelder, ab 2003 freier Publizist (Düsseldorf). Seit dem 18. Lebensjahr Mitglied der internationalen katholischen Friedensbewegung pax christi, später auch: Versöhnungsbund, DFG-VK, Solidarische Kirche im Rheinland, Bund der Antifaschisten. Mitarbeit im Ökumenischen Institut für Friedenstheologie. Themenschwerpunkte u.a.: Kirche der Armen, "Krieg & Massenkultur", pazifistische Beiträge zur Regional- und Kirchengeschichte, christliche Friedensdiskurse. Bertha-von-Suttner-Preis 2006 (Kunst & Medien). Studien zur Kriegskultur: Napalm am Morgen (2004); Kino der Angst (2005/2007); Bildermaschine für den Krieg (2007). Zur Kirchenreform: Das Lied der Liebe kennt viele Melodien (2001/ 2005); Die fromme Revolte - Katholiken brechen auf (2009). - Mehrere Auszeichnungen für die Forschungen zur niederdeutschen Mundartliteratur des Sauerlandes: LWL-Förderpreis für Westfälische Landeskunde (2010); Johannes-Sass-Preis (2014); Rottendorfpreis (2015). Initiator der Forschungs- und Editionsprojekte "leutekirche sauerland" (seit 2016; bislang 22 Bände) und "Kirche & Weltkrieg" (seit 2020; bislang 13 Bände). Internet: www.friedensbilder.de - www.sauerlandmundart.de - www.kircheundweltkrieg.wordpress.com