Beschreibung
Seit 2015 überrollt angeblich eine neue Völkerwanderung Europa! Dahinter steht ein Bild von unglaublich meinungsbildender Kraft: Die Migrationskrise wird gleichgesetzt mit jener Epoche, in der die vermeintliche Barbaren in das römische Imperium einfielen und dieses Reich dann und deswegen dann unterging. Doch weder war es so, noch wiederholt sich das Lied der Geschichte. Doch die Melodie vergangener Ereignisse kann durchaus nachhallen, weswegen wir aus den Ereignissen vor über 1500 Jahren trotzdem etwas lernen können. Deswegen schauen wir auf die Massenflucht der Goten über die Donau im Jahr 376. Blickt man hinter den Schleier populärer Bildern von Spätantike und Frühmittelalter und will in den eintreffenden "Germanen" nicht stets die eigenen Vorfahren erkennen, drängen andere Aspekte in den Vordergrund. Die Gotenflucht bleibt ein für die Römer überraschender Vorfall, aber trotzdem wird hier auf eine bereits mehr als 150 Jahre alte migrantische Tradition zurückgegriffen. Sie kann mit Methoden der Sozialwissenschaften als transkulturelles soziales Feld gefasst werden, welches Imperium und gotische Gebiete und so die dem Prozess formgebenden Migrationsregime erst verbindet. Es ist Vertrauen zueinander und ineinander, das dieses ganze Netzwerk zusammenhält und über sein funktionieren und nicht funktionieren entscheidet. Fast wichtiger aber noch, es ist nicht das kollektive Vertrauen ganzer Ethnien, sondern von Einzelnen, die wegen ganz unterschiedliche Gründe fliehen - religiöse Verfolgung, Hunger, Angst um ihr Leben in militärischen Konfrontationen.
Autorenportrait
Fabian Dombrowski arbeitet seit 2014 am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin unter anderem als Hilfskraft im ERC-Pro- jekt FOUNDMED und als Tutor der Einführungskurse. Aus der Verbindung seiner Studienfächer Geschichte und Ethnologie steht ihm eine Forschung nahe, die den Blick auf die Probleme der Gegenwart auch mit Hilfe der entfernten Vergangenheit schärfen will.