Beschreibung
Als kunst- und architekturbegeisterter Spaziergänger bringt der Romancier Georg Hermann in dieser 1926 erstmals erschienenen literarischen Preziose den Lesern das alte Potsdam nahe. Er durchquert die Straßen der Stadt, betrachtet architektonische Einzelheiten und räsoniert über Raumwirkungen und städtebauliche Konzepte. Gleichwohl reiht er nicht kunsthistorische Fakten aneinander, sondern versucht vielmewhr, die Leser für die Schönheiten der Stadt zu begeistern. Dabei ergeht er sich nicht in unverbindlichem Geplauder, sondern erweist sich als "ungemein kompetenter Begleiter, der durch seine Individualität und seine ausgeprägten Vorlieben ein suggestives, einprägsames Bild der Stadt entwirft" (Gundel Mattenklott). Der Spaziergänger wird von ihm als "notorischer Zivilist" (Lothar Müller) gegen den stramm preußisch gesinnten, in Hohenzollern-Genealogie geschulten Besucher der Garnisonstadt gesetzt. So zieht der Pazifist Georg Hermann die Eleganz des friderizianischen Rokoko dem wilhelminischen Monumentalismus vor. Von großer Aktualität - vor dem Hintergrund des Stadtschloss-Neubaus in Potsdam und der kontrovers diskutierten Rekonstruktion der Garnisonkirche - ist Hermanns Überlegung, wie Altes mit Neuem sinnvoll verbunden werden kann. So lässt sich Spaziergang in Potsdam auch als Anregung für die Diskussion um Tradition und Gegenwart in der Architektur und Stadtentwicklung lesen. In seinem Geleitwort für die Neuausgabe erinnert George Rothschild, ein Enkelsohn von Georg Hermann, an seinen Großvater.
Autorenportrait
Georg Hermann (eigentlich Georg Hermann Borchardt), 1871 in Berlin geboren, besuchte neben einer Kaufmannsausbildung kunsthistorische Vorlesungen an der Berliner Universität und schrieb für Zeitungen und Zeitschriften. Mit seinen Romanen avancierte er Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem der erfolgreichsten deutschen Schriftsteller (u. a. Jettchen Gebert, 1906). Als linker Demokrat jüdischer Herkunft sah er früh, welcher Gefahr er nach der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten ausgesetzt sein würde. 1933 ging er in die Niederlande, seine Werke wurden bei den Bücherverbrennungen im Mai 1933 vernichtet. Nach der Besetzung der Niederlande wurde Hermann nach Auschwitz deportiert und im November 1943 ermordet.