Beschreibung
Das, was es nicht ist, ist das Besondere an diesem Buch: Es ist keine große Reportage, keine detaillierte Analyse, keine politische Denkschrift und kein berichthaftes Tagebuch. Ellis Avery hat einfach nur ein beinahe zartes Zeugnis für das hinterlassen, was bei historischen Ereignissen schnell unsichtbar wird: die Gefühle der Menschen. Wie die ganze Stadt erlebte sie einen Schrecken, mit dem fernab von den Kriegsschauplätzen dieser Welt nie gerechnet wird. Auf das normale Leben senkten sich mit einem Schlag Tod, Bedrohung und Unsicherheit herab, gefolgt von dem Gefühl, irgendetwas tun zu müssen, um sich zu schützen, zu retten, weitere Gewalt zu verhindern und zurückzufinden in eine Normalität. Ellis Avery hat mit ihrem Text einen Weg gefunden, die Empfindungen dieser Septembertage scheinbar ganz privat und mit sanfter sprachlicher Knappheit einzufangen. Und gerade in ihrer nuancierten Zurückgenommenheit stellen ihre Skizzen aus der angegriffenen Stadt ein besonders eindrückliches, sehr reales und doch auch sinnbildhaftes Stück Erinnerung dar.
Autorenportrait
Ellis Avery wurde 1972 geboren und lebte ab 1996 in New York. "Die Tage des Rauchs" (im Original: "The Smoke Week") war 2003 ihre erste Buchveröffentlichung und wurde u. a. mit dem Walter Rumsey Marvin Award ausgezeichnet. 2006 erschien ihr Debütroman "The Teahouse Fire", der im Japan des 19. Jahrhunderts spielt und in viele Sprachen übersetzt wurde (u. a. ins Deutsche unter dem Titel "Die Teemeisterin", 2008). 2012 folgte mit "The Last Nude" ein weiterer historischer Roman, diesmal im Paris der 1920er Jahre angesiedelt. Beide Bücher machten sie zur Vorreiterin für queere Themen in diesem Genre und wurden vielfach ausgezeichnet. Sie wirkte darüber hinaus als Essayistin, schrieb über zwanzig Jahre hinweg täglich ein Haiku, woraus die Bände "Broken Rooms" (2014) und "The Haiku Datebook 2019" entstanden, und lehrte Kreatives Schreiben an der Columbia University und der University of California in Berkeley. Ihr eigenes Schicksal zwang Ellis Avery ab 2012, sich mit dem Thema Krankheit und ihren Folgen stark auseinanderzusetzen, wovon ihr Memoir in Essays "The Family Tooth" (2015) u. a. erzählt. Der Jugendroman "Tree of Cats" konnte 2020 nur noch posthum erscheinen. Im Februar 2019 erlag Ellis Avery mit nur 46 Jahren einer unbesiegbaren Tumorerkrankung.