Beschreibung
Roman aus Syrien; auf der Shortlist für den International Prize for Arabic Fiction 2012: Rafi, Asa, Hela, Farida, Busaina und Bulchair - ihre Leben sind verbunden, durch familiäre Bande, sinnliches Begehren, das drusische Mysterium der Seelenwanderung und all die Geschichten, die der Drusenberg ihnen auf den Weg gab. Doch vor allem teilen sie eines: Sie bäumen sich auf gegen das einengend traditionelle Leben in ihrem Dorf, Sarmada, was auf Arabisch 'ewig' bedeutet. Auf der Suche nach einem eigenen Glaubens- und Lebensverständnis riskieren sie ihre Familie, ihre Arbeit, ihren Platz in der Gemeinschaft - und ihr Leben. 'Ich habe bei Kerzenlicht lesen gelernt und deshalb leuchten die Buchstaben für mich, selbst wenn die Welt dunkler wird. Worte machen uns frei' (Fadi Azzam)
Autorenportrait
Ich wurde in Syrien geboren, in einem Dorf namens Taara, nahe der Stadt Suweida. Erst als ich sieben Jahre alt war, bekam unser Dorf Elektrizität. Und seit dem verstehe ich den Wert des Lichts. Ich habe bei Kerzenlicht lesen gelernt und deshalb leuchten Buchstaben für mich, selbst wenn die Welt dunkler wird. Ich habe alles, was im Leben wichtig ist, gelernt, bevor ich sieben Jahre war: die Bedeutung des Lichts, der Natur, was es heißt, unschuldig geboren zu sein. All das bevor die Plackerei der Schule, der Partei und der Sekte einsetzte. Buchstaben und Worte waren das Einzige, was mir Flügel wachsen ließ, mit denen ich mich über diese, mich eingrenzenden Mauern hinweg schwingen konnte, und jetzt, da ich fast 40 Jahre alt bin, scheint sich nicht viel geändert zu haben. Worte machen uns frei. Immer wenn ein Ort oder eine Zeit schiefgehen, wenden sich die darunter Leidenden an Worte. Worte trösten, sie vermitteln Hoffnung. Ich kenne ihren Wert, denn ich bin in blendender Dunkelheit groß geworden. Sarmada ist ein Teil dieser Dunkelheit, obwohl es beim flackernden Schein einer weissen Kerze und dem fahlen Licht einer Lampe geschrieben ist. Wenn Worte wachsen, schrumpft der Raum; und wenn Ideen sich ausbreiten, können sich Worte nicht genug ausdehnen. Ich hatte das Gefühl, daß ich keine andere Wahl hatte, als den geheimnisvollsten Ort zu verlassen, den ich jemals gekannt hatte: und das war Damaskus. Ich war dorthin gezogen, als ich 18 war, auf der Suche nachj Liebe, Freiheit und Leben. Und es dauerte ein Jahrzehnt, bis ich kapierte, daß Damaskus der einzige Ort ist, dem es egal ist, wie die Zeit vergeht. Es ist verwirrend beständig. Jeder läuft und eilt, bekriegt sich und emigriert, aber die Stadt, sie wartet einfach, bis alle zurückkehrt. Wo auch immer Du am Ende bist, Damaskus wartet dort auf Dich. Es ist eine irre und hinreißende Stadt, eingesponnen in einem zauberhaften Kokon. Du mußt Dich verlieben, ins Gefängnis wandern, hungern und darin herumlungern, bevor Damaskus Dir den Schlüssel zu seinen Geheimnissen aushändigt. Ansonsten macht es einfach so weiter, wie bisher, zufrieden mit sich und der Tatsache, die älteste bewohnte Hauptstadt der Welt zu sein. Als 2001 der kurze Damaszener Frühling zusammenbrach, ging ich nach Dubai. Diese Stadt ist das genaue Gegenteil zu Damaskus. Dubai ist eine Stadt der Hirngespinste. Damaskus ist eine fantastische Stadt. Aber Dubai lieferte mir einen Pass zu anderen Städten: London, Amsterdam, Lissabon, Prag und sogar Paris, wo ich eines verregneten Herbsttages, in irgendeiner Seitenstrasse eine Frau traf, die die Dunkelheit Suweidas, das Licht Damaskus und die Laune Dubais in sich vereinte. Wir heirateten und sie führte mich zu einem Platz, wo ich mich niederlassen konnte. Und dann kam Sarmada. Geboren aus dem Schoß fruchtbarer Städte. Und mein Sohn, Adad - ein zweites Baby - kam zur selben Zeit zur Welt, da ich mit ansehe, wie mein Land sich bemüht, ein noch schöneres Kind zu gebähren. Syrien liegt in den Wehen und die Freiheit wird geboren.