Beschreibung
Seit der "Biblia pauperum" ist der Blick auf die Einheit der beiden Testamente vielleicht nirgends fruchtbarer geworden als in Lauensteins Texten, denn durchgehend ist in ihnen jene Einheit von Altem und Neuem gegenwärtig, die dadurch entsteht, dass wir "das Alte Testament aus der Hand Jesu" erhalten. Den dabei gezeichneten großen Linien wohnt der kraftvolle Schwung eines völlig eigenständigen Denkstils inne, der in unserer ideenarmen Gegenwart noch mitreißender wirkt, als zu Lauensteins Lebzeiten, und der bisweilen durchaus zu einer Gestaltung drängt, die dem Ideal der Schönen Wissenschaft verpflichtet ist. Lauenstein macht ernst mit der Überzeugung, dass sich religiöses Handeln und Wandeln im Erkennen vollenden. Durchgehend tritt der forschende Theologe hinter dem Verkünder religiöser Inhalte zurück, der seine Beherrschung der Wissenschaft in gedankliche Gediegenheit umzuschmelzen weiß, die ihrerseits in den Dienst tiefen und reinen Fühlens tritt. Mit Entschiedenheit vertritt Lauenstein das objektive Sein ethischer Maßstäbe für den bewusst ergriffenen Willen, ohne den eine zeitgemäße religiöse Praxis und Lebensführung nicht möglich sind.Die Texte erheben sich immer wieder zur Stufe des Mythos, auf der Begriff, Bild und Idee einander befruchten. Dem Leser werden Tiefen des Schriftverständnisses erschlossen, welche jenseits aller dogmatischen, mystischen oder aktualistischen Überformungen des Bibelwortes liegen. Unschwer ließe sich eine zeitgemäße Metamorphose der alten Lehre vom ,vierfachen Schriftsinn' aus Lauensteins Arbeiten gewinnen: So weit als möglich wird in ihnen versucht, vom ursprünglich ja durchaus spirituellen Bild- und Gedankengehalt der Texte auszugehen (Literalsinn); im Sinne des platonischen Mythos wird das so Gewonnene zum Erlebnis gebracht (typologischer Sinn); die ethische und - bis in den Leib hinein - menschenkundliche und lebenspraktische Dimension wird erschlossen (tropologischer Sinn); schließlich wird der apokalyptische und eschatologische Horizont des Bibelwortes enthüllt (anagogischer Sinn).
Autorenportrait
Diether Lauenstein wurde 1914 in Herford geboren und besuchte dort das humanistische Gymnasium. Er studierte in Tübingen, Marburg und Berlin Theologie und orientalische Sprachen. In den Jahren 1939-43 war er Soldat. Aufgrund einer schweren Verwundung entlassen, habilitierte er sich in Greifswald. Seitdem ist er als Publizist und Theologe hervorgetreten und wirkte in Bielefeld, Tübingen, Stuttgart, Essen und Bochum. Nach schwerer Erkrankung 1975 dauernder Aufenthalt in Namibia. Mitwirkung an der Gründung und inneren Gestaltung der Universität Witten-Herdecke. Gestorben 1990 in Windhoek, Namibia. Günter Kollert geb. 1949. Schulzeit an der Rudolf Steiner-Schule Nürnberg. Studium der deutschen und russischen Philologie. Seit 1979 Pfarrer in der Christengemeinschaft in verschiedenen deutschen und brasilianischen Gemeinden. Veröffentlichungen: Der Gesang des Meeres. Die portugiesischen Entdeckungsfahrten als Mythos der Neuzeit (1997); Höher als der Turm von Babel. Ursprung und Zukunft der Sprache (2000); Das Ich als Meister der Seele. Erfahrungsseelenkunde für jedermann (2003); Die Apokalypse des Denkens. Zur Krise des Intellekts (2006); Weimar-Cambridge und zurück. Goethe, Wittgenstein und die Welt der Farben. (2008). Phantasie, Phantastik, Fantasy. Erzählte Welten zwischen Romantik und neuem Mythos (2010).