Beschreibung
Die rassistische Gewaltwelle zu Beginn der 1990er Jahre ist Teil des kollektiven Gedächtnisses geworden. Orte wie Solingen, Mölln und Rostock-Lichtenhagen wurden durch sie zu Synonymen für rechte Gewalt. Das Erscheinungsbild vieler damaliger Täter mit Bomberjacken und Springerstiefeln prägt zudem bis heute die Wahrnehmung des subkulturellen Rechtsextremismus in Deutschland. Seit nunmehr 20 Jahren besteht eine Kontroverse darum, wie viele Todesopfer rechter Gewalt seit dieser Welle in Deutschland zu verzeichnen sind. Sicherheitsbehörden klassifizieren aktuell 109 Tote als Opfer rechtsmotivierter Delikte, Recherchen von Journalist*innen zählen hingegen 187 Fälle mit steigender Tendenz. Die vorliegende Arbeit untersucht zum einen das polizeiliche Erfassungssystem politisch motivierter Kriminalität, um die Ursachen der Diskrepanz zu beleuchten. Zum anderen werden anhand von Verfahrensakten und Gerichtsurteilen zehn Fälle aus den Jahren 1992/93 genauer betrachtet. Anhand eines Vergleichs zwischen behördlich klassifizierten Fällen und Verdachtsfällen wird überprüft, ob die Verdachtsfälle aus heutiger Sicht neu zu bewerten sind.