Beschreibung
Koordinaten bestimmen die Projektion geographischer Karten. Hervorgegangen aus anscheinend objektiv überprüfbaren Vermessungen konturieren sie nicht nur Territorien, sondern sie visualisieren auch politische, administrative und militärische Wissensbestände und Interessen. In der Frühen Neuzeit erlangten Messen und Kartieren, geodätische Instrumente und Risse zunehmend an Bedeutung, um Räume zu erfassen und Herrschaft zu beanspruchen. Aufwendige Vermessungskampagnen und maßstabgetreue Karten trugen zur Ausbildung, Verwaltung und Verteidigung immer stärker flächig ausgerichteter Staaten bei. In kaum einem anderen Fürstentum dokumentieren die heute noch erhaltenen Bestände an geodätischen Instrumenten, kartographischen Erzeugnissen und zugehörigen Archivalien die frühneuzeitliche Landeserfassung so umfassend wie in Sachsen. Kurfürst August (reg. 1553-1586) hat, aktuellen Forschungen zufolge, Vermessungen sogar höchstpersönlich durchgeführt und eigenhändig aufgezeichnet. Die Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bandes versuchen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven wie der Kartographie- und Geographiegeschichte, der Archiv- und Museumskunde, den Kunst- und Landeswissenschaften zu verstehen, wie Messinstrumente und Karten von der Mitte des 16. bis zum beginnenden 17. Jahrhundert als Ausdruck vielseitiger Interessen und Bedürfnisse eingesetzt wurden. Kursachsen bildet den Ausgangspunkt für die Frage, wie auch andere deutsche und europäische Territorien die neuen technischen Möglichkeiten nutzten, um etwa ihre Hoheitsgebiete zu behaupteten, sich Reputation in Wissenschaft und Mäzenatentum zu erwerben, ihren Reichtum einem ausgewählten Publikum zu präsentieren oder Ansprüche auf Macht geltend zu machen. Überlegungen zur Sammlungsstruktur der kurfürstlichen Kunstkammer und zur Person des geodätisch tätigen Kurfürsten bilden die Basis für einen Blick über das frühneuzeitliche Sachsen hinaus in angrenzende Territorien wie Hessen und Bayern bis nach Italien und die Niederlande. Der Band liefert damit einen wesentlichen Beitrag zur politischen Kultur geodätischer und kartographischer Produkte.
Autorenportrait
Ingrid Baumgärtner ist seit 1994 Professorin für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Kassel. Von 2007 bis 2011 hatte sie die Leitung des Projekts "Karten als Brücken für Welt-Wissen" im DFG-Schwerpunktprogramm 1173 inne. Von 2009 bis 2013 war sie stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Studienzentrums in Venedig. Derzeit ist sie Mitglied im Vorstand des Mediävistenverbandes, im DFG-Graduiertenkolleg 1599 "Dynamiken von Raum und Geschlecht" und im Hauptausschuss der Historischen Kommission für Hessen. Ingrid Baumgärtner veröffentlichte Publikationen zur europäischen Kulturgeschichte, zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kartographiegeschichte, zur nordhessischen Landesgeschichte sowie zur Stadt- und Rechtsgeschichte des Mittelalters.
Sonstiges