Beschreibung
Der Begriff des Staates in der Staatsrechtslehre seit dem 20. Jahrhundert ist geprägt von der Auseinandersetzung Carl Schmitts mit der Reinen Rechtslehre Hans Kelsens. Diese Kontroverse ist keine rein literarische oder wissenschaftliche: beide Protagonisten verstehen sie als Ausdruck eines Gegensatzes im Gegenstand, also im Wesen des Staates selbst. Kelsen versucht, das Recht als Prinzip gesellschaftlicher Synthesis zu begreifen, und den Staat als eine Rechtstatsache. Daran hängt in der Tat die Möglichkeit eigenständiger Rechtserkenntnis, die Möglichkeit einer Wissenschaft vom Recht überhaupt. In Schmitts Lehre dagegen, die er in heftigem Konflikt mit Kelsen begründet, steht im Zentrum des Staats dessen Subjekt als über-rechtliches Verhältnis, als sein Souverän; es garantiert die Rechtsordnung, es hebt sie wenn nötig auf, wenn der Staat nur so die Ordnung bewahren kann. Und so wenig der Souverän als einfach identisch mit dem Volk auch nur gedacht werden kann, so notwendig muss er es doch werden. Und zuletzt bestimmt sich die Gesellschaft als Volk durch den Krieg nach aussen und den Bürgerkrieg gegen den inneren Feind: das heißt nicht nur gegen die Revolution selbst, sondern auch die Parteien, zuletzt den jüdischen Liberalismus. Schmitts Lehre, republikanisch, wenn auch konsequent konterrevolutionär im Anfang, geht durch einfache Entwicklung 1933 selbst zum Nationalsozialismus über. Der Staat aber ist ebensowenig wie das Recht einer materialistischen Kritik unzugänglich, im Gegenteil lässt sich zeigen, dass materialistische Kritik der Gesellschaft ohne Staatskritik unvollständig, das heisst falsch ist. Der Staat bleibt gegenüber der Gesellschaft eine undurchdringliche Besonderung so lange, und nur dann, wenn der Begriff der Gesellschaft nicht selbst als Problem gefasst, das heisst: vor-kritisch verstanden wird. Dass an dieser Schwierigkeit die linkshegelianische Kritik gescheitert ist, lässt sich zeigen; ob der - marxische oder bakuninische - Materialismusversuch diesem Scheitern entkommen kann, müsste erst noch gezeigt werden; durch einen neuen Anlauf der Kritik. Dieser müsste Konsequenzen daraus ziehen, dass eine konterrevolutionäre Staatslehre sich Politische Theologie nennen kann, wo doch die Kritik der Religion längst im wesentlichen beendigt (K. Marx) sein sollte.