Beschreibung
Ausgehend von einer typischen und als weitgehend konstant angenommenen Manifestationsform inneren Empfindens, dem Vergießen von Tränen, wird hier die These entwickelt, dass die kath. Reform des 16. und 17. Jhs. - stärker als bisher gesehen - als eine Zeit 'geistlicher Empfindsamkeit' angesprochen werden muss Anhand der vielen überlieferten Belege öffentlichen Weinens sowie auf der Grundlage einer breiten Bearbeitung von Affekten in der zeitgenössischen Traktatliteratur lässt sich zeigen, wie sehr es der Kirche um 1600 darum ging, Gefühle als Mittel der Glaubenskonstitution in den pastoralen Dienst zu nehmen. Dieser besonders auch im Medium der Kunst beförderte Versuch, dem 'Gläubigen' das gänzlich Andere im leiblichen Selbst vernehmbar werden zu lassen, fußt auf der theologisch lange gerechtfertigten und auch erkenntnistheoretisch abgesicherten Bevorzugung einer 'irrationalen' Verwahrung Gottes. Die Vergegenwärtigung des Allerhöchsten wird nun als Emotion, als sinnliches Ereignis oder Erlebnis nicht nur theoretisiert, sondern vor allem auch neu metaphorisiert und dabei das (oft auch genüssliche) Selbstempfinden in methodischer Weise eingeübt und gesellschaftlich organisiert.