Beschreibung
Caillebotte und die Nähe zur Fotografie Gustave Caillebotte (1848-1894) revolutionierte die impressionistische Malerei. In seinen Darstellungen von Paris konzentrierte sich der Maler auf ungewöhnliche Ansichten und Perspektiven: Der senkrechte Blick in die Tiefe aus Fenstern, von Dächern und Balkonen erzeugt beim Betrachter ein mulmiges Gefühl. Die Sicht durch ein schmuckvolles Balkongitter auf die Straße etwa lässt nur noch erahnen, was unten zu sehen ist: Passanten, Kutschen, Bäume. So ergeben sich Bildausschnitte, die realistisch wirken wie bei einer Fotografie, aber auch fremd und irritierend anmuten - ganz nach dem Geschmack des Impressionisten Caillebotte. Nicht immer wurde Gustave Caillebotte für seine faszinierenden Stadtbilder und seine Weitsicht in der Kunst so bewundert, wie das heute der Fall ist. Als er 1876 zum ersten Mal seine Gemälde bei einer Impressionisten-Ausstellung zeigte, warfen ihm seine Kritiker vor, die Wirklichkeit 'fotografisch' wiederzugeben. Damit meinten sie, dass eine zu naturalistische und zu realistische Abbildung der Dinge nichts mit Kunst zu tun habe. Dies war lange, bevor die Fotografie als Medium der Kunst anerkannt wurde. Die Ausstellung in der Schirn Kunsthalle Heute gilt Caillebotte längst als rehabilitiert. Der Maler setzte Maßstäbe innerhalb der Kunst des Impressionismus: Er nahm Techniken und Themen vorweg, die sich erst in den 1920er-Jahren als 'Neues Sehen' in der Fotografie etablierten. Die Schirn Kunsthalle zeigt in einer Ausstellung rund 50 bedeutende Werke Caillebottes. Gleichzeitig stellt sie ihnen mehr als 150 Fotografien des 19. und 20. Jahrhunderts gegenüber. Damit betont die Schau die Parallelen zwischen seinen Bildern und der modernen Fotografie. So wird deutlich, dass der Künstler mit seinen Bildformen seiner Zeit weit voraus war. Fotografen wie André Kertész, Wols und László Moholy-Nagy weisen eine besondere Nähe zu Caillebottes Werk auf. Ihre Bilder greifen zum Teil dieselben Motive auf oder zeigen einen Ausschnitt aus der gleichen Perspektive. So gibt es zum Beispiel Aufnahmen von Straßen und Plätzen in einer steilen Draufsicht, wie sie schon auf den Gemälden Caillebottes zu finden sind. Die Fotografien von Édouard Baldus, Charles Marville und Eugène Atget dokumentieren das Bild der 'Hauptstadt des 19. Jahrhunderts', der sich auch der Impressionist bevorzugt widmete. Gustave Caillebotte - der Katalog zur Ausstellung Der Katalog zur Ausstellung gibt auf 245 Seiten einen Überblick über das Schaffen des Künstlers Gustave Caillebotte. Gleichzeitig nimmt er den Leser mit auf eine Reise in das Paris des 19. Jahrhunderts: Imposante Bauwerke weisen auf den technischen Fortschritt hin, Menschen eilen durch die belebten Straßen. Die Motive und Techniken des Künstlers spiegeln sich in zahlreichen Fotografien wider, die zum Teil erst später entstanden sind. Wie in der Ausstellung sind diese Bilder jeweils thematisch passend den Gemälden und Skizzen Caillebottes zugeordnet. Essays namhafter Autoren ergänzen die großformatigen Bildtafeln und Abbildungen. Die Kunsthistorikerin Karin Sagner befasst sich zum Beispiel mit Gustave Caillebotte als Impressionisten und seiner Nähe zur Fotografie. Ein weiterer Essay widmet sich der Darstellung des Straßenlebens in Fotografien des 19. Jahrhunderts. Kurze Texte gehen auf einzelne Bilder Caillebottes näher ein, erklären deren Entstehung sowie die Intention des Künstlers bei der Auswahl bestimmter Perspektiven und Ansichten. Eine kurze Biografie von Caillebotte schließt den Katalog ab.
Autorenportrait
Nach dem Studium der Kunstgeschichte und Germanistik in München und Paris promovierte Karin Sagner über Claude Monet und war wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München. Heute ist sie als freie Autorin und Kuratorin tätig.