Beschreibung
Václav Havel hat stets darauf beharrt, die Texte seiner Reden selbst zu verfassen. Ihre Lektüre macht schnell klar, warum dies so ist. Ob Havel vor dem Wirtschaftsgipfel in Davos spricht oder in der Neujahrsansprache vor den Bürgern seines Landes, ob er vor Bundestag und Bundesrat das tschechisch-deutsche Verhältnis reflektiert oder die Ehrendoktorwürde der neuseeländischen Victoria-Universität entgegennimmt - es gibt wohl kaum einen Politiker und Staatsmann, der es vermochte, sein Publikum an so persönlichen, bisweilen intimen Erfahrungen teilhaben zu lassen und zugleich über den Anlaß des Tages hinaus die globale, ja metaphysische Dimension politischen Denkens zu entfalten. Die ausgewählten Texte in diesem Band, entstanden zwischen Anfang 1992 und Ende 1997, widmen sich einer Vielfalt von Fragen, Entwicklungen und Problemen: so beschäftigen sie sich mit dem schwierigen Erbe der posttotalitären Gesellschaften in Mittel- und Osteuropa und der Schwäche der Freiheit im Westen, mit der Zukunft Europas und der multikulturellen globalen Zivilisation sowie den Werten, die ihr Überleben befördern könnten, mit dem Ende der technisch-wissenschaftlichen Moderne und der Rolle der Intellektuellen in offenen und totalitären Gesellschaften, mit dem Theatralischen in der Politik und der Einsamkeit des Dissidenten wie des Präsidenten, mit elementaren Erfahrungen angesichts der Hoffnungslosigkeit und des Todes.
Autorenportrait
Geboren am 5. 10. 1936 in Prag. Wegen seiner Herkunft aus einer 'bourgeoisen', nach dem kommunistischen Umsturz 1948 enteigneten Familie konnte Havel nur auf Umwegen Ober- und Hochschulbildung erlangen. 1951 Lehre als Chemielaborant. 1954 Abitur an einer Abendschule. 1955 debütierte er mit Kritiken in der Zeitschrift 'Kveten' (Mai), später publizierte er in allen wichtigen tschechischen Literaturzeitschriften. 1959 schrieb er sein erstes Stück, den Einakter 'Rodinný vecer' (Familienabend). Nach der sowjetischen Okkupation widersetzte er sich der neostalinistischen Gleichschaltung, bekam Publikationsverbot, wurde wegen der Beteiligung an zahlreichen Protestaktionen schikaniert, geheimpolizeilich observiert und schließlich 1977, als Mitbegründer und Sprecher der Charta 77, zu vierzehn Monaten Gefängnis verurteilt. Danach Hausarrest aufgrund fortgesetzter Aktivitäten als Bürgerrechtler (Gründung des 'Komitees für die Verteidigung zu Unrecht Verfolgter' und Veröffentlichungen im Ausland. 1979 Verurteilung zu viereinhalb Jahren Haft, von der ihm nur die letzten Monate wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung erlassen wurden. Weil er im Januar 1989 eine Gedenkveranstaltung für Jan Palach mitorganisierte, der sich 1969 aus Protest gegen die Okkupation des Landes selbst verbrannt hatte, wurde Havel erneut festgenommen und zu neun Monaten verschärfter Haft verurteilt; nach weltweiten Protesten Entlassung im Mai. Am 29. 12. 1989 Wahl zum Präsidenten der CSFR. Auszeichnungen: Österreichischer Staatspreis für europäische Literatur (1969); Ehrenpreis der Société des Auteurs, Frankreich (1981); Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1989); Simon-Bolivar-Preis, Venezuela (1990); Rotary-Preis, USA (1990); 'Olof-Palme-Preis für öffentliche Verdienste', Schweden (1990); Internationaler Karlspreis der Stadt Aachen (1991). Verstorben 2011 in Hrádecek, Tschechien.
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