Beschreibung
Aus der gemeinsamen Schulzeit verband Paul Klee und Hans Bloesch eine Freundschaft, die über vier Jahrzehnte bis zu Klees Tod anhielt. Bloesch war der engste Weggefährte bei Klees ersten Schritten in die Sphäre der Kunst, wobei er seinerseits eine Ambition als Autor verfolgte. Von der Abiturzeitung Die Wanze (1898) bis zum satirischen Musterbürger aus den Jahren 1903 bis 1908 fanden die beiden mehrfach zu gemeinschaftlichen Unternehmungen zusammen. Und als Bloesch seinen Dichterträumen abschwor, um Redakteur der Zeitschrift Die Alpen zu werden, verschaffte er Klee die Möglichkeit, mit Musikkritiken dort etwas Geld zu verdienen. Unbekannt war bisher, dass es in jener Frühzeit noch ein weiteres Gemeinschaftsprojekt gab, dem die beiden den lapidaren Titel Das Buch gaben. Es entstand, als Klee nach seiner Zeit an der Münchner Akademie und seinem Aufenthalt in Italien nach Bern zurückkehrte. Was aus ihm werden sollte, war zunächst unklar, und so ließ er sich auf eine Art kreativen Spiels mit Bloesch ein: Man nahm ein Kontorbuch mit 100 leeren Seiten, und jeder tat hinein, was die Phantasie des anderen irgendwie anregen konnte. Klee hatte in München satirische Zeichnungen im Stile des «Simplicissimus» gemacht, zu denen Bloesch nun passende Spottverse fabrizierte. In anderen Fällen war es umgekehrt: Klee suchte in seinem Studienmaterial nach Motiven, die er neben Bloeschs Gedichte stellen konnte, schnitt aus alten Zeichnungen entsprechende Figuren aus und klebte sie dazu. Die Sache trug den Charakter des entre nous zwischen zwei jungen Männern, so dass man sich auch explizit Erotisches und nicht eben Frauenfreundliches erlaubte. Eine Veröffentlichungsabsicht war mit all dem augenscheinlich nicht verbunden: Vielmehr hielt man Buch über Einfälle und Ideen, damit sie sich nicht verflüchtigten. Die Zeit würde weisen, wofür man sie brauchen konnte. Der satirische Tenor des Ganzen führte Klee bald zu seiner ersten größeren Werkserie: den Inventionen, einer Gruppe von graphischen Blättern mit grotesken Figuren und Szenen. Zwischen den Arbeiten aus München und Italien einerseits und jener Graphikfolge andererseits bildet Das Buch das missing link, das die Entwicklung auf überraschende Weise erkennbar werden lässt. Zu Beginn noch nach den Vorbildern der einschlägigen Satireblättern zeichnend, ist Klee am Ende zu jenem eigenständigen Künstler geworden, als den wir ihn heute kennen. Die Edition umfasst alle Seiten des Buchs als Faksimile, die Transkription der darin enthaltenen Texte sowie zwei Essays zur Entstehungs- und Werkgeschichte des Projekts von Osamo Okuda und Reto Sorg, die 2005 schon die Ausgabe des Musterbürgers besorgt haben. 250 nummerierte Exemplare erscheinen in der originalen leinengebundenen Form des Kontorbuches; 500 weitere als broschierte Studienausgabe.
Autorenportrait
Hans Bloesch (1878-1945) besuchte mit Paul Klee die gleiche Klasse auf dem Berner Gymnasium und gehörte mit ihm zu den Autoren der berüchtigten Maturitätszeitung «Die Wanze». Zunächst versuchte er sich als Dichter, schlug dann aber die Journalisten-Laufbahn ein und wurde 1927 leitender Bibliothekar der Berner Stadt- und Universitätsbibliothek. Zu seinen bleibenden Leistungen gehört zudem die Edition des Gesamtwerks von Jeremias Gotthelf, die er von 1912-1944 mit Rudolf Hunziker herausgab. Bloesch und Klee blieben zeitlebens enge Freunde.